Dienstag, Juni 21, 2005

Ich geb es ja zu, ich bin ein Höryeur

Gibt es eigentlich ein Wort dafür? Wenn ja, warum kennt man es dann nicht? Wie es auch sei, ich gebe es zu: Ich bin ein akustischer Voyeur. Ich laufe meist sehr schnell durch diese Welt. Keine Ahnung ob ich vor etwas weglaufe, etwas einholen will, oder ob ich einfach etwas schneller laufe als Andere. Es ist einfach so. Dabei passiert es nicht selten das man Andere einholt. Passiert das nachts, lasse ich mir mit dem Überholen manchmal Zeit, wenn gerade zwei oder mehr in ein Gespräch vertieft sind. In der Strassenbahn lehne ich mich leicht zurück, mehr als es sein müsste, und höre den Leuten hinter mir zu. Oder auch auf meinem Balkon. Ich sitze mit dem Rücken am Sichtschutz, der meine Balkon von dem der Nachbarin trennt, und spitze die Ohren. Ich brauche nicht viel. Nur ein paar Sätze. Am liebsten ohne Zusammenhang. Dann kann ich darüber nachdenken, um was es ging. Um was es gehen muss. Es ist wie ein Film, in den man gerade reinzappt um sofort wieder den Ort der Handlung zu verlassen. Es geht darum sich in Sekunden, an Hand ein paar Worte, ein Bild zu machen. Es erleichtert es mir, die Menschen zu ertragen. Es erleichert es mir hier zu sein. Weil ich kurz ein Teil von ihnen bin. Sie, die ich so verabscheue, lassen mich kurz in ihre Welt vordringen. Es versöhnt uns. Es sind die paar Sekunden Film, dich ich jeden Tag brauche. Mindestens. Wie kann jemand, der so sehr das Leben liebt, gleichzeitig es so sehr hassen?